Pressemitteilungen

Meldungen aus der Friedrich und Isabel Vogel-Stiftung

Die Siegerinnen und Sieger des 35. Jahrgangs
der Friedrich-Vogel-Preise stehen fest

Die Preisverleihung fällt leider aus und wird auf 2021 übertragen.

Vorstand und Kuratorium der Stiftung freuen sich, auch im Pandemiejahr beispielhaften Wirtschaftsjournalismus auszeichnen zu dürfen. Die Siegerinnen und Sieger werden allerdings erst im Herbst 2021 in der Düsseldorfer Niederlassung des Handelsblatts (hoffentlich) persönlich geehrt. Die Print- und TV-Preise sind mit jeweils 3.000 Euro dotiert.

 

Der Printpreis 2020 geht an Sophie Burfeind
für ihre Reportage "Ich will Schnäppchen" über die boomende Branche der Euro-Shops, erschienen in brand eins 3/2020.

Es geht um nicht mehr und nicht weniger als die indirekte Beantwortung einer großen Frage unserer Zeit: Die (westliche) Welt redet unentwegt über Nachhaltigkeit und Klimaschutz und kauft gleichsam scheinbar ohne Sinn und Verstand Billigprodukte, und zwar in derart ungeheuerlichen Mengen als gäbe es kein Morgen. Und vielleicht ist das irgendwann ja auch so, wenn kein Umdenken stattfindet und die Konsumentenschar nicht irgendwann damit beginnt, Herkunft und Folge einer ungebremsten Massenfabrikation von Billigprodukten ernsthaft zu hinterfragen. 

Brand Eins-Reporterin Sophie Burfeind hat eine vielschichtige Analyse mit Elementen einer echten Reportage geschrieben, die in einem Ein-Euro-Shop am Rande der Würzburger Innenstadt beginnt und den großen Bogen schlägt nach Asien, wo die allermeisten der extrem günstigen Waren hergestellt werden. 

Die junge Journalistin, die ihr Volontariat bei der Süddeutschen Zeitung vorwiegend im Wirtschaftsressort absolvierte, zitiert den Einkäufer einer Handelskette mit den Worten, dass der Preis am besten sei, wenn man von einem Produkt, sagen wir wie in diesem Fall einem sehr günstigen Keramikmesser, gleich einen ganzen Container kaufe. Um anschließend eine detaillierte betriebswirtschaftliche Rechnung aufzumachen, was allein das Verschiffen eines derartigen Containers von China nach Deutschland kostet, wie viele Keramikmesser in einen derartigen Container passen und was das alles für die Marge bedeutet. Burfeind listet weitere Kosten wie die bloße Herstellung der Messer auf, addiert Ausgaben für Steuern, Miete und Strom in den Läden und dem Leser wird schnell klar, dass das ein ziemlich wahnsinniges Geschäftsmodell ist. 

Nach der Lektüre des Beitrags, so viel kann hier versprochen werden, versteht der Leser die Tücken des globalen Kapitalismus jedenfalls wesentlich besser. Deshalb kann für den Text von Sophie Burfeind mit der Überschrift "Ich will Schnäppchen" nur gelten: Lesebefehl!

Juror und Laudatio: Peter Brors, stellvertretender Chefredakteur beim Handelsblatt und Leiter der Georg von Holtzbrinck-Schule für Wirtschaftsjournalisten
 

 

Der TV-Preis 2020 geht an Tina Fuchs (SWR-Fernsehen)
für ihren Magazinbeitrag "Totale Kontrolle – Chinas Sozialkreditsystem", ARD-Sendung plusminus vom Mittwoch, 15. Januar 2020, 21:45 Uhr, über das Social-Scoring-System Chinas, einer Kontrolle und Lenkung durch den Staatsapparat, der sich auch ausländische Unternehmen in China unterwerfen (müssen).

Selbst die Zukunft war früher besser: George Orwells kurz nach dem Zweiten Weltkrieg erschienene Dystopie "1984" sieht heute schon fast niedlich aus mit ihrem „Big Brother“. Zumindest wenn man erlebt, was die politische Führung der Volksrepublik China gerade aufbaut: Allein bis Ende dieses Jahres sollen landesweit 600 Millionen Kameras installiert werden, die immer engmaschiger alle Lebensbereiche ausspähen. "In China entsteht das größte digitale Überwachungsprogramm der Geschichte", bilanziert Tina Fuchs in ihrem Beitrag "Totale Kontrolle – Chinas Sozialkreditsystem" für das ARD-Wirtschaftsmagazin "plusminus".

Doch damit lässt sie es nicht bewenden, sondern geht naheliegenden Fragen nach: Was bedeutet das Späh-Projekt für andere freiheitliche Gesellschaften – und deren Märkte? Wie frei sind Unternehmen und Manager überhaupt noch in ihrem Handeln?

Tina Fuchs zeigt anhand mehrerer konkreter Beispiele, dass von der Kommunistischen Partei nicht nur die westlichen Firmen selbst gescannt werden, die in und mit China Geschäfte machen wollen. Sie müssen sich vielmehr künftig auch rechtfertigen für ihre Geschäftspartner, Zulieferer und Kunden. Nur wer immer die Spielregeln befolgt, wird belohnt, etwa in Steuerfragen, Lizenzvergaben oder bei öffentlichen Ausschreibungen.

Hinzu kommt, dass sich diese Spielregeln jederzeit ändern können: Kontakte zu einem US-Unternehmen waren noch vor wenigen Jahren vielleicht völlig unauffällig. Nun – in Zeiten neuer Handelskriege – können sie plötzlich als Bedrohung der nationalen Sicherheit Chinas wahrgenommen werden. Angesichts der ökonomischen Expansionslust der auch für den Exportriesen Deutschland eminent wichtigen Volksrepublik kann man Dank Tina Fuchs zumindest ahnen: Die Planwirtschaft durch die digitale Hintertür hat bereits begonnen. So düster war Zukunft selten. Und es ist keine Fiktion.

Juror und Laudatio: Thomas Tuma, stellvertretender Chefredakteur beim Handelsblatt
 

 

Ein weiterer TV-Preis 2020 geht an Jan Niklas Lorenzen und Markus Stein (Hoferichter & Jacobs GmbH, Produktion)
für den Dokumentarfilm "Wer beherrscht Deutschland – Was den Osten anders macht", Erstausstrahlung am Donnerstag, 31. Oktober 2019, 20:15 Uhr, Mitteldeutscher Rundfunk (TV), zu der Fragestellung "Wie ist es tatsächlich bestellt um die Machtverhältnisse im Land?".

Liegt die politische Macht noch dort, wo sie hingehört, bei den gewählten Vertretern in Parlament und Regierung? Oder geben Konzerne und ihre Lobbyisten die Richtung vor? Wer eine solche Frage seinem Film voranstellt, nimmt sich mit der Suche nach der Antwort viel vor. 

Aber die Autoren halten, was sie versprechen. Politikverdrossenheit ist die große, aktuelle Bewährungsprobe unserer Demokratie. Und Jan Lorenzen und Markus Stein gehen den wirtschaftlichen Ursachen auf den Grund. Sie wagen sich dabei an sehr unterschiedliche, schwierige Themenkomplexe heran: Flüchtlingskrise, Elitenbildung, Wohnungsmarkt, Leiharbeit, Steuertricksereien, um nur einige zu nennen. Den Autoren gelingt es hervorragend, die Themen geschickt miteinander zu verbinden und einen guten Spannungsbogen zu halten. Sie blicken in den Mikrokosmos einer Stadt, ohne den Blick für das ganze Land zu verlieren. Sie spüren eindrucksvolle Einzelbeispiele auf und flechten Fakten wohl dosiert ein. Gekonnt schwenken Jan Lorenzen und Markus Stein immer wieder zwischen dem Besonderen und dem Allgemeinen hin und her. Glaubwürdige Protagonist*innen und  überzeugende Expert*innen runden die einzelnen Themenkomplexe ab. Am Ende geben die beiden Autoren zwar eine Antwort, wer die Macht im Staate hat, sie drängen sie dem Publikum aber nicht auf. Und geben damit den Zuschauerinnen und Zuschauern die Freiheit, sich eine eigene Meinung zu bilden.

Juror und Laudatio: Eva Maria Schmidt, Redakteurin und Moderatorin des Wirtschaftsmagazins makro in 3sat
 

 

Das mit 3.000 Euro dotierte Vogel-Stipendium im Jahr 2020 erhält Nina Bärschneider.

Sie erhält das Stipendium für ihre geplante Recherchereise nach Thailand, dem weltweit größten Produzenten von Naturkautschuk. Trotz der weltweit hohen Nachfrage sinken die Kautschukpreise seit Jahren. Die Abhängigkeit von dem Rohstoff schwächt Thailand an der Wurzel, denn vor allem Kleinbauern bauen Kautschuk an. Die Recherche soll zeigen, was der Preisverfall für sie bedeutet – und welche Wege sie aus der Krise finden. 

Nina Bärschneider hat einen detaillierten Plan für diese ambitionierte Recherche vorgelegt. Sie wird sowohl vor Ort in Thailand und in Deutschland mit den Produzenten des Naturkautschuks, als auch mit Kleinbauern auf dem Land Thailands sowie mit Wirtschaftsvertretern sprechen.

Nina Bärschneider arbeitet seit November 2018 als Redakteurin bei der Wirtschaftsredaktion "wortwert" in Köln. Sie besuchte die Kölner Journalistenschule für Politik und Wirtschaft e.V. und studierte Sozialwissenschaften, Nebenfach VWL an der Universität zu Köln mit dem Abschluss Bachelor of Science. Sie ist Stipendiatin der Studienstiftung des Deutschen Volkes.

Juror und Laudatio: Dr. Michael Moerchel, Freier Journalist
 

 

Über die Vergabe der Vogel-Preise entschieden 2020 die folgenden Juroren: Michael Boll (Verleger des Solinger Tageblatts), Dr. Antje Höning (Wirtschaftsredaktion Rheinische Post), Dr. Ulrich Kater (Chefvolkswirt der DekaBank),Heinrich Meyer (Herausgeber Neue Ruhr Zeitung), Dr. Michael Moerchel (freier Journalist), Peter Brors und Thomas Tuma (stv. Chefredakteure Handelsblatt), und Eva Maria Schmidt (Redakteurin und Moderatorin 3sat).

Leitfigur für Dr. Friedrich Vogel und seine Frau Isabel war Ludwig Erhard, dessen Idee der sozialen Marktwirtschaft der Handelsblattgründer und Journalist mit seinen Publikationen unterstützte. Darin sah er seinen Beitrag zum Wiederaufbau der durch den Krieg zerstörten deutschen Wirtschaft. Seine Ideale leben in der 1984 gegründeten Vogel-Stiftung weiter, die jährlich Wirtschaftsjournalisten für ihre beispielhaften Arbeiten auszeichnet.

Die Bewerbungen für den Vogel-Preis 2021 können ab dem 25. Januar 2021 wieder eingereicht werden. Bewerbungsschluss ist der 16. Mai 2021.